„Früh begonnen ist halb gewonnen“

Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule in Kooperation mit anderen gestalten

Art:

Ort:
Keine Präsenzveranstaltung!
Digitales Format
via Eventplattform, Online
Datum: 
Donnerstag, 2. Dezember 2021 - 8:45
Keine gute Bildung ohne guten Ganztag! Gesetzlicher Rechtsanspruch ab 2026 
Auf der Zielgerade der vergangenen Legislaturperiode wurde nach zähem Ringen die stufenweise Einführung des Rechtsanspruchs auf eine ganztägige Betreuung im Grundschulalter ab 2026 beschlossen. Mit dem verabschiedeten Ganztagsförderungsgesetz sind die Chancen verbunden, Grundschulen und Horte als Lebens- und Lernorte zu gestalten, Bildungsungerechtigkeit abzubauen, Teilhabe zu stärken, Zugänge zu Bildungsangeboten über den schulischen Bereich hinaus zu fördern und Familien zu entlasten.  
 
Kommunen, Schulen, Schulaufsicht, Jugendhilfe, außerschulische Partner und Familien eint dabei der Wunsch nach einer qualitativ hochwertige Ganztagsbildung, welche über die Abdeckung von Betreuungszeiten hinausgeht. Dafür müssen Bund, Länder und Kommunen gut zusammenarbeiten. Vor allem aber stehen die Akteure vor Ort vor einer komplexen gemeinsamen Gestaltungsaufgabe. Deren Bewältigung erfordert klare Ziele, ein abgestimmtes Handeln, Rollen- und Aufgabenklarheit, Aushandlungsprozesse, Qualitätsdiskurse, pädagogisch sinnvolle Baumaßnahmen, Fachkräftestrategien (Sicherung und Professionalisierung), eine valide Datengrundlage sowie funktionierende Planungs- und Steuerungsmodelle. 
 
Im Rahmen des Themenworkshops diskutierten Vertreter:innen aus schleswig-holsteinischen Kommunen und Schulen miteinander und mit Professor Markus Sauerwein (Fliedner Fachhochschule Düsseldorf), der Serviceagentur „Ganztägig Lernen“ Schleswig-Holstein und der Transferagentur Nord-Ost zu Chancen, Gelingensbedingungen, Lösungsansätzen, guten Modellen und Herausforderungen sowie den Möglichkeiten des kommunalen Bildungsmanagements, Einfluss auf den Ausbau von qualitativ hochwertigen Ganztagsangeboten zu nehmen und der Frage, wie Steuerungsaufgaben aussehen und bewältigt werden können. 
 
Impuls von Prof. Dr. Markus Sauerwein (Fliedner Fachhochschule, Düsseldorf)
Prof. Dr. Markus Sauerwein skizzierte in seinem Vortrag unterschiedliche Qualitätsaspekte eines guten Ganztags. Zudem stellte er die verfügbaren relevanten statistischen Daten vor und wies gleichzeitig auf die Herausforderung der statistischen Erfassung hin: Einige notwendige Daten stehen nicht zur Verfügung, KMK-Statistik und Kinder- und Jugendhilfestatistik sind nicht passfähig, die Ganztagschulforschung wurde weitgehend eingestellt (z.B. StEG) und verfügbare Daten haben teilweise nur begrenzte Aussagekraft. Das erschwert die Bedarfsplanung und Umsetzung. Weiterhin beschrieb Herr Prof. Sauerwein die Herausforderung unklarer Zuständigkeiten und Kooperation von Schulen und außerschulischen Partnern für die Umsetzung eines qualitativ hochwertigen Ganztags. So gelingt es nicht allerorts zwischen Schulen, Schulträger und Jugendhilfe eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu initiieren, um eine signifikante Veränderung in der Organisation und Durchführung des Ganztags zu gestalten. Eine Kultur gegenseitiger Anerkennung und Verständigung sowie Wertschätzung der unterschiedlichen Kompetenzen ist aber Grundvoraussetzung, um einen qualitativ hochwertigen Ganztag umsetzen zu können. Die Verankerung des Anspruchs auf Ganztagsbetreuung im Sozialgesetzbuch VIII bietet die Chance, entsprechende Diskurs neu zu beleben. Ein weiteres Thema war die Herausforderung der Gewinnung und Professionalisierung von Fachkräften. Schon jetzt ist die Situation ist an vielen Schulen prekär, die Gestaltung eines pädagogisch anspruchsvollen Ganztags im Sinne einer Ganztagbildung herausfordernd. Auch fehlen Daten zur Höhe der Professionalisierungsquote von im Ganztag Tätigen oder Studiengänge, die einen eindeutigen Bezug zum Thema Ganztag aufweisen.  Die Präsentation von Prof. Dr. Sauerwein finden Sie hier: PDF, 2.5 MB.
 
Initiative auf Landesebene – Serviceagentur „Ganztägig Lernen“ Schleswig-Holstein  
Die vom Bildungs- und Sozialministerium gemeinsam geförderte Serviceagentur „Ganztägig Lernen“ Schleswig-Holstein (SAG SH) ist die zentrale Beratungs- und Qualifizierungsstelle, der Umschlagplatz von Wissen bezogen auf alle Fragen rund um gute und funktionierende ganztägige Bildung in Schleswig-Holstein. Das Team der SAG SH unterstützt Schulen und ihre Partner, Schulträger und viele weitere am Ganztag Beteiligte dabei, einen qualitativ hochwertigen Ganztag in den Schulen Schleswig-Holsteins zu etablieren. Neben unterschiedlichen individuellen Beratungsangeboten, bietet sie ein breites Portfolio Qualifizierungs- und Vernetzungsangeboten wie z.B. Zertifikatskurse für pädagogische Mitarbeiter:innen im Ganztag, ein Referenzschulnetzwerk, Hospitationen, Fortbildungen oder Fachtage. Die Serviceagentur ist mit ihrer Fachexpertise und Erfahrung im Land sehr gefragt und arbeitet mit den meisten bildungsmanagementaktiven Kommunen in Schleswig-Holstein bereits zusammen. Die Präsentation der Serviceagentur finden Sie hier: PDF, 1.9 MB.
 
Initiative auf Kreisebene – „Zukunft Weiterbildung“ („Qualität im offenen Ganztag“) im Kreis Segeberg 
Der Kreis Segeberg nutzt unterschiedliche Strategien, um den quantitativen und qualitativen Ansprüchen an die Umsetzung von Ganztagsbetreuung gerecht zu werden. Insbesondere die Bindung und Qualifizierung von Fachkräften stellt dabei eine Schlüsselkomponente dar. Moritz Füller – Bildungsmanager aus dem Kreis Segeberg – zeigt durch das Programm „Zukunft Weiterbildung“ und dort speziell anhand der Angebote unter der Überschrift „Qualität im offenen Ganztag“, was der Kreis tut, um dem Fachkräftemangel im pädagogischen Bereich entgegenzusteuern. So existieren im Kreis Segeberg z.B. kostenfreie Fortbildungsangebote für im Ganztag Tätige in Zusammenarbeit mit Partnern aus den Volkshochschulen Bad Bramstedt, Bad Segeberg, Henstedt-Ulzburg, Kaltenkirchen und Norderstedt und der SAG SH. Gemeinsam mit dem Kreis Herzogtum-Lauenburg und der SAG SH hat der Kreis Segeberg zudem die Entwicklung eines (kostenpflichtigen) Zertifikatskurses „Qualifizierung von Koordinator:innen an Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein“ angestoßen. Zusätzlich initiierte der Kreis ein Netzwerk aus Grundschulen ohne Ganztagsangebot und finanziert dessen professionelle fachliche Begleitung, damit sich die Grundschulen zu attraktiven Ganztagsgrundschulen weiterentwickeln können.  
 
Fazit
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Zusammenführung und Aufbereitung von verfügbaren Daten zunächst Grundvoraussetzungen sind, um Bedarfe und Erwartungen an den Ganztagsausbau in Grundschulen bis 2026 genau zu bestimmen. Eine Kultur der Verständigung und Wertschätzung zwischen Schulen, Schulträgern, Jugendhilfe und außerschulischen Akteuren ist genauso wie die nachhaltige Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften unabdingbar, um den zu erwartenden Mehrbedarfen an Ganztagsbetreuung in den kommenden Jahren gerecht zu werden und dabei gleichzeitig eine hohe Qualität zu gewährleisten. Gleichzeitig braucht es eine Sensibilisierung auf kommunaler Ebene dafür, dass durch die Verankerung des Rechtsanspruchs im SGB VIII neue anspruchsvolle Aufgaben für die Jugendämter entstehen und die Kooperation zwischen Jugendamt und Bildungsressorts intensiviert werden muss.

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